Uribe und Maduro: Verfeindete Zwillinge
Von Tobias Käufer, Bogotá
Als zu Beginn des Jahres in Venezuela Hunderttausende Menschen auf die Straße gingen, um gegen die Lebensmittelknappheit, die staatliche Zensur und die ausufernde Gewalt zu demonstrieren, da entzündete sich der Funken des Protestes in den Universitäten. Wenig später waren alle Schichten der Bevölkerung in die Proteste einbezogen. Statt auf die Sorgen seiner Landsleute einzugehen, brandmarkte Venezuelas Präsident Nicolas Maduro die Studenten und die Opposition als von Washington gesteuerte als Nazi-Faschisten. Also bin ich hingefahren, habe mir mit meinen eigenen Augen und Ohren in Caracas ein Bild gemacht. Ich habe die Oppositionspartei Voluntad Popular besucht, habe mit führenden Oppositionspolitikern wie Maria Corina Machado gesprochen und habe Vertreter der Studentenvertreter getroffen. Das Ergebnis dieser persönlichen Vor-Ort-Recherche: Mit Faschismus haben diese Leute überhaupt nichts zu tun. Sie stehen für ein demokratisches, marktwirtschaftliches System mit sozialen Komponenten. Man muss ihre politischen Ansichten nicht teilen, aber sie haben das demokratische Recht diese frei äußern zu dürfen und nicht dafür mit körperlicher Gewalt oder gar Haft bestraft zu werden. Die öffentlichen Anschuldigungen von Präsident Maduro waren schlichtweg eine politische Unverschämtheit. Sie sind zudem gefährlich, denn für die bewaffneten sozialistischen Milizen sind die regierungskritischen Studenten seitdem Freiwild.
Vor ein paar Wochen wurde im kolumbianischen Parlament über den rechten Paramilitarismus debattiert. Ex-Präsident Alvaro Uribe, der mittlerweile als Senator im Parlament sitzt, erhob dabei schwere Anschuldigungen gegen die Menschenrechtsaktivistin Yanette Bautista. Sie, die eine Stiftung betreibt, die sich für die Rechte der Opfer des bewaffneten Konfliktes einsetzt, sei eine Angehörige der Guerilla-Bewegung. Also bin ich hingefahren, habe mir mit meinen eigenen Augen und Ohren in Bogota ein Bild gemacht. Ich habe lange mit Yanette Bautista, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gesprochen. Mit bewaffnetem Guerilla-Kampf haben diese Leute überhaupt nichts zu tun. Sie stehen für demokratische Grundrechte und ein anderes Kolumbien.
Man muss ihre politischen Ansichten nicht teilen, aber sie haben das demokratische Recht diese frei äußern zu dürfen und nicht dafür mit körperlicher Gewalt oder gar Haft bestraft zu werden. Die öffentlichen Anschuldigungen von Ex-Präsident Uribe waren schlichtweg eine politische Unverschämtheit. Sie sind zudem gefährlich, denn die für die paramilitärischen Banden sind die Menschenrechtler nun Freiwild.
Alvaro Uribe und Nicolas Maduro bilden die extremen Ränder der politischen Landschaft Lateinamerikas und sie obendrein politische Intimfeinde. Wer allerdings einmal näher hinschaut, der erkennt viele erstaunliche Parallelen in der politischen Realität. Beide haben politisch starke Frauen, die sich im Parlament mutig und öffentlich gegen die Mächtigen stellten, aus den politischen Vertretungen entfernen lassen. Piedad Cordoba (Kolumbien) und Maria Corina Machado (Venezuela) haben ihren Parlamentssitz verloren, weil sie den Mächtigen gefährlich wurden. Es ist nicht die einzige Gemeinsamkeit.
Als es in Kolumbien zu Protesten der Landbevölkerung kam, stellte sie Uribe mit Terroristen in eine Reihe und nannte sie in einem Atemzug mit der linken Guerilla-Gruppe Farc. Als die Studenten in Venezuela protestierten, waren sie nach Einschätzung Maduros Faschisten die mit paramilitärischen Banden gemeinsame Sache machten. Die bewusste Kriminalisierung der Opposition ist bei beiden Politikern ein Merkmal ihrer Arbeitsweise. Und sie ist schreiendes Unrecht, auf beiden Seiten der Grenze.
In Kolumbien gab es während der Ära Alvaro Uribe das dunkle Kapitel der Zusammenarbeit von Staat und Paramilitarismus, das bis heute noch nicht aufgearbeitet ist. Und in Venezuela: Die Regierung baut ebenfalls auf paramilitärische Milizen. Immer dann, wenn es wieder kritisch wird im Land, ruft der Innenminister die „revolutionären Milizen“ auf, Ruhe zu bewahren. Eine unverhohlene Drohung, dass es eben auch anders gehen könnte, wenn diese Gruppen erst einmal von der Kette gelassen werden. In Caracas habe ich einmal im gefürchteten Stadtteil „23 de Enero“ mit einem jungen Chef einer Gruppe dieser „revolutionären Milizen“ gesprochen und ihn gefragt, was denn passiert, wenn die Anderen mal an die Macht kommen. Seine lapidare Antwort: „Dann bringen wir die um.“ Vielleicht hilft dieses kleine Erlebnis, die höchste Mordrate Südamerikas zu erklären, die es in Venezuela gibt. In Kolumbien haben die rechten Paramilitärs ebenfalls keine Scheu ihre Todesdrohungen öffentlich kundzutun. Sie kommen gerne per E-Mail. Fragen Sie einmal Yanette Bautista. All das habe ich ebenfalls mit eigenen Augen gesehen und gehört, in Kolumbien und in Venezuela. Es sind keine Erfindungen, auch wenn die Lager Maduros und Uribes derlei Berichte gerne als solche abtun. Auch da sind sich die beiden Intimfeinde erstaunlich ähnlich.
Wer in Kolumbien erlebt hat, wie Menschenrechtler von rechten Paramilitärs bedroht wurden oder wie in Venezuela linke Milizen gerne in großen Gruppen auf ihren Motorrädern oppositionelle Studenten einschüchtern, erkennt sehr schnell, dass zwischen diesen ideologisch so entfernten Lagern in puncto Verletzungen demokratischer Grundrechte keine großen Unterschiede mehr gibt.
Bleibt eine letzte Gemeinsamkeit: Alvaro Uribe konnte sich während seiner Amtszeit auf eine Medienlandschaft verlassen, die ihm freundlich gesonnen war. Sie reichte vom US-amerikanischen Sender Fox-News auf internationaler Ebene bis zur konservativen Presse im eigenen Land. Regierungskritische Journalisten hatten es schwer, wurden bedroht oder gar abgehört. Und in Venezuela: Maduro kann mittlerweile auf ein linientreues mediales Netzwerk bauen, das seines gleichen sucht: Staatliche Medien betreiben eine Hofberichterstattung, die Angst machen muss. Auch Maduro hat mittlerweile sein eigenes „Fox-News“. Der Sender heißt Telesur, ist auf dem ganzen Kontinent zu empfangen. Und die regierungskritischen Medien: Sie werden mit Klagen und Strafen überzogen oder müssen um eine Papierzuteilung bangen. In Caracas gibt es mittlerweile eine ganze Heerschar von arbeitslosen Journalisten, die sich weigerten, aus Karrieregründen das linientreue und gut bezahlte Lied der staatlichen Medien zu singen. Sie haben einen hohen Preis bezahlt. Genauso wie die Journalisten in Kolumbien, die von Drohungen eingeschüchtert, das Land verlassen haben.
Rechtsaußen Alvaro Uribe und Linksaußen Nicolas Maduro, die beiden Endpunkte des politischen Spektrums Südamerikas, sind sich viel ähnlicher, als sie vielleicht selbst glauben wollen. Es sind traurige und beschämende Parallelen.