Von Tobias Käufer, Bogotá
Die Angst ist verständlich: Sind erst einmal Drogen im freien Verkauf erhältlich, dann werden unsere Kinder und Jugendliche doch zur leichten Beute, fürchten viele Eltern. Man sollte ihnen die Wahrheit sagen, denn die Realität ist viel schlimmer. Fragen Sie einmal in einer Schulklasse in Berlin, Wien, Bogota, Miami oder Tokio die Kids, ob sie jemanden kennen, von dem sie wissen, wo und bei wem sie Drogen besorgen können. In jeder Schulklasse auf diesem Planeten wird mindestens ein Zeigefinger nach oben gehen. Dieses Vertriebsnetz vor dem wir so große Angst haben existiert schon längst. Und es ist in den Händen von Menschen, denen wir unser Kinder ganz bestimmt nicht ausliefern sollten: Skrupellosen Terrororganisationen, Guerillabanden, Paramilitärs, Menschenhändlern und religiösen Fanatikern.
Dieser Planet hat den Kampf gegen die Drogen verloren. Es ist ein Kampf, der unter den aktuellen Bedingungen gar nicht mehr zu gewinnen ist. Auf der Gewinnerseite steht ein weltweites Finanzsystem, das opportunistisch bis zur Selbstverleugnung wegschaut, wenn es darum geht, diese unfassbar großen Milliardenströme zu waschen. Die Gewinne, die dabei zu erzielt werden, sind einfach zu gigantisch, um Nein zu sagen. Und es ist eine Waffenindustrie, die beiden Seiten dankbar beliefert: Den von Drogenmilliarden gemästeten Kartellen und den Staaten, die sich verzweifelt dagegen wehren sollen. Je mehr Krieg desto besser. Nicht nur Mexiko ist für die Waffenindustrie ein lukratives Geschäft.
Auf der Verliererseite steht die Gesellschaft. Kids, die in die Abhängigkeit und die Kriminalität abgleiten, um die absurd hohen Straßenverkaufspreise zu zahlen. Gedemütigte Mädchen und Frauen, die ihren Körper und ihre Würde verlieren, um den nächsten Kick organisieren. Die Demokratie, die hilflos mitansehen muss, wie ganze Politikgenerationen und Rechtsstaaten von den Drogenmilliarden einfach gekauft werden. Mutige Zivilisten, Menschenrechtler, Priester, die sich der Mafia in den Weg stellen, um dann auf Müllhalden ermordet wie ein Stück Dreck entsorgt zu werden. Die Medien, weil sie es insgeheim cool finden, wenn ein Steven Tyler oder ein Keith Richards lächelnd von ihren Drogenexzessen berichten, während in den von der Mafia kontrollierten Ländern zeitgleich Richter niedergemetzelt werden, die es wagen, jene juristisch zu verfolgen, die in der Zulieferkette der Prominenten arbeiten. Warum schicken wir diese Promis nicht in die Apotheke und lassen sie 19 Prozent Mehrwertssteuer zahlen.
Die Drogenmafia ist bestens organisiert. Sie ist in vielen Teilen der Welt reicher und mächtiger als die lokale Staatsgewalt. Und sie ist keineswegs ideologiefrei, wie man auf den ersten Blick annehmen könnte. Islamistische Terror-Organisationen sind mit linken Guerillagruppen und rechten Paramilitärs bestens vernetzt. Jeder der in Münchens Edeldisco P1 oder auf der Bundestagstoilette eine Linie Koks zieht, sollte wissen, bei wem am Ende das Geld landet, das er dafür bezahlt. Ganz bestimmt nicht bei den Campesinos in Kolumbien, Peru oder Mexiko. Es gibt linksregierte und rechtsregierte Staaten, die auf der Lohnliste der Drogenmafia stehen. Kommunisten, Sozialisten, Kapitalisten und Marktwirtschaftler sind käuflich, jeden Tag und überall.
Ein Teenager, der Drogen ausprobieren will, der wird das tun. Egal ob das legal oder illegal ist. Zur Zeit bekommt er seine Testdosis von zwielichtigen Gestalten in irgendwelchen Clubs, Bahnhöfen oder sogar auf dem Schulhof. Wenn wir unsere Kinder schon nicht davon abhalten können, sollten wir sie zumindest nicht an die organisierte Kriminalität ausliefern.
Der Fall der 43 verschwundenen Studenten in Mexiko zeigt wohin es führt, wenn wir das Monster der Drogenmafia weiter mästen. Es wird größer, fetter und mächtiger. Dieses Monster foltert, tötet, korrumpiert. Es kann sich die besten Anwälte der Welt leisten, es ist als Geldgeber in linken und rechten Parteien gern gesehen. Es spricht alle Sprachen dieser Welt, ist in München, Mailand und Miami genauso zu Hause wie in Malaysia und Medellin. Und es kommt immer näher. Es bringt Kokain, Marihuana und Crystal Meth aus allen Teilen der Welt. Und es ist schon jetzt in den Klassenzimmern unserer Kinder. Wir müssen nur richtig hinsehen.
Wenn der Staat die Kontrolle über den Drogenhandel übernimmt, bricht dieser ganze Kreislauf zusammen. Je härter die Gesetze, je schwieriger der Transport, desto höher der Straßenverkaufspreis und desto größer der Gewinn der Drogenbosse. So funktioniert das Geschäft. Diesen Kreislauf durchbricht man nur, durch die Übernahme des Geschäftsmodells. Und der einzige Weg dieses unersättlich gierige Drogenmonster zu besiegen, ist ihm das Fressen zu entreißen: Geld.